Männlichkeit Orientierung

Männlichkeit – (M)Eine Neuorientierung

Mir begegnen häufig Männer, die sich nicht sicher sind, was es für sie selber bedeutet ein Mann zu sein. In unseren Seminaren, in der Beratung und auch im meinem persönlichen Umfeld, nehme ich das Bedürfnis nach Orientierung, nach Klarheit zum Thema Männlichkeit wahr.

Orientierungslosigkeit

Mir selber ging es lange ebenso. Aufgewachsen bin ich vor allem mit vielen Schwestern und Kusinen und einem Vater, der mit den eigenen Herausforderung beschäftigt und damit für mich meistens emotional nicht erreichbar war. Zudem kam bei mir durch die Frauenbewegung immer mehr die Nachricht an, dass das bisherige Verhalten der Männer unerwünscht und vielfach sogar gewalttätig war. 40 Jahre später sind wir schon einiges weiter, was die Rechte und das Bewusstsein bei Frauen angeht, doch ich habe den Eindruck, dass die meisten Männer zwar verstanden haben, dass es Veränderung braucht, aber keine Orientierung bzgl. Männlichkeit haben in welche Richtung wir uns bewegen wollen.

Männerarbeit in Zeiten von LGBTQIA+

Daher ist es mir wirklich ein Herzensanliegen mit Männern und für Männer zu arbeiten. In einer Zeit, in der täglich mehr und mehr Geschlechteridentitäten medial präsent sind und tatsächlich gelebt werden? Für mich ist das kein Widerspruch. Im Gegenteil bin ich der Meinung, dass es umso mehr Orientierung braucht je mehr Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Von Menschen der LGBTQIA+ Community genauso wie von Menschen, die sich als Feministinnen bezeichnen, höre oder lese ich immer wieder mal den Ausdruck „alte weiße Männer“. Ich glaube, dass sie mit diesem verurteilenden Ausdruck das bestehende System mit Energie füttern, das sie eigentlich verändern möchten. Druck erzeugt Gegendruck! Sie möchten nicht für ihre eigene Lebensweise verurteilt werden, doch verurteilen Menschen, die bei „alten“ Lebensmodellen bleiben möchten. Das ist nur die andere Seite der gleichen Medaille.

Ich glaube, dass Veränderung Einladung, gegenseitiges Verstehen-Wollen und Annahme braucht.

Falls du noch zweifelst, dass Männer mehr Unterstützung und Orientierung brauchen, können die folgenden Zahlen vielleicht nachdenklich machen. Mich machen sie jedes Mal betroffen, wenn ich sie lese:

2012 lag die Suizidrate unter Männern im Alter zwischen 85 und 90 Jahren bei 73,2 Prozent. Insgesamt begehen Männer bis zu 3 mal häufiger Selbstmord als Frauen. (Quelle: Uni Münster)

2020 wurden 75% aller Selbstmorde von Männern begangen. Zwar ist die Gesamtzahl von 50 Personen pro Tag (1980) auf 25 Personen (2020) gesungen. Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen jedoch annähernd gleich geblieben. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Den eigenen Weg finden

Ich habe kein Patentrezept! Ich möchte gerne beschreiben, was mir geholfen hat Orientierung zu erhalten und meinen eigenen Weg von Männlichkeit zu finden. Und vielleicht ist der eine oder andere Baustein für dich dabei, der dir hilft deinen Weg zu finden.

Den eigenen Körper kennenlernen und respektieren

Lerne deinen eigenen Körper kennen. Was tut dir gut? Was tut dir nicht gut?
Probiere verschieden Dinge aus und nimm bewusst wahr wie es dir danach geht.

  • Mache intensiv Sport und nimm dir Zeit zu spüren, wie es dir danach geht.

  • Gehe in die Sauna und nimm dir Zeit zu spüren, wie es dir danach geht.

  • Mache einen Power-Nap und nimm dir Zeit zu spüren, wie es dir danach geht.

  • Gehe zu einer Massage und nimm dir Zeit zu spüren, wie es dir danach geht.

  • Probiere bewusst weitere Dinge aus.

Sobald du deinen Körper etwas kennst, kannst du körperliche und mentale Zustände durch innere Bilder auch bewusst beeinflussen. Die folgende Übung kannst du in deinen Alltag einbauen und erfordert nur sehr wenig Zeit:

Bewusst nach Hause kommen

Bevor du durch die Türe in dein Zuhause trittst, nimm dir 1 Minute Zeit dich bewusst zu spüren. Nimm 3 bewusste tiefe Atemzüge. Wie geht es dir? Was vom Tag in der Welt draußen möchtest du draußen lassen? Lass es mit dem Ausatmen los.Als welcher Mann möchtest du nach Hause kommen? Lass dein Wunschbild von dir selbst vor deinem inneren Auge entstehen, das HEUTE stimmig für dich ist. Jetzt entscheide dich SO zuhause anzukommen und trete ein.

Mir hat diese Übung geholfen mit mehr Frieden in meinem Inneren zu Hause anzukommen. Mehr dazu in diesem Blog-Artikel: LINK

Vorbilder suchen

Mir sind immer wieder Männer begegnet, die mich auf einer tieferen Ebene angesprochen haben, die irgendetwas hatten, das meine Sehnsucht nach einem neuen Bild von Männlichkeit berührt hat. Vor einigen Jahren habe ich dann begonnen Kontakt aufzunehmen, wenn ich diese Resonanz wahrgenommen habe. Ich habe viel von diesen Männern gelernt.

Daher möchte ich dich einladen dich umzuschauen, suche dir Männer als Vorbilder, bei denen du ganz tief in dir glaubst, dass diese ein von Sinn erfülltes Leben führen. Was hat dieser Mann zu sagen? Gibt es dir Orientierung? Was kannst du von ihm über Männlichkeit lernen, dass du auch tatsächlich in dein Leben integrieren möchtest?

Versuche etwas ganz konkretes zu finden, dass du ausprobieren möchtest und experimentiere damit 30 Tage lang. Erlaube dir es unperfekt zu machen! Erlaube dir zu scheitern! Reflektiere nach den 30 Tagen du es beibehalten möchtest.

Austausch unter Männern

Geholfen hat mir auch mich mit anderen Männern auszutauschen. Wie geht es ihnen? Was erleben sie als herausfordernd und was als bereichernd? Und wie geht es ihnen mit Rollenbildern, mit Partnerschaft und mit ihrem Mann-Sein?

Ich habe immer wieder festgestellt, dass ich mich mit ähnlichen Themen konfrontiert sehe. Daher hat mir der offene Austausch geholfen, zu sehen, dass ich nicht alleine bin. Und ich habe neue Anregungen und Inspiration erhalten, wie mein weiterer Weg aussehen könnte.

Den Austausch habe ich immer wieder bewusst in 1:1 Gesprächen mit anderen Männern gesucht, aber auch immer wieder Gelegenheiten genutzt mich ihn Männergruppen auszutauschen. Jedes Gespräch kann ein weiteres Puzzelstück für deine Orientierung zu deiner Männlichkeit sein.

Probiere dich aus

Aus meiner Sicht eine der besten Möglichkeiten herauszufinden, was du wirklich willst und wer du als Mann sein möchtest, ist es auszuprobieren. Verschiedenste Dinge! Je nachdem wie offen du das teilst, kannst du wahrscheinlich davon ausgehen, dass dir sowohl Irritation wie auch Bestätigung in deinem Umfeld begegnen wird. Probiere dich trotzdem bewusst aus!

Sowohl Dinge, die als „typisch“ für Männer gelten, als eher „untypische“. Was könnte dir Spaß machen? Wobei könntest du etwas über dich lernen?

So habe ich z.B. in den letzten Jahren beim Tango-Argentino tanzen viel über meine eigene Angst vor Ablehnung gelernt. Meiner Angst nicht gut genug zu sein.
Ca. 8 Jahre habe ich Karate und dabei vieles über meinen Körper gelernt. Zum Beispiel, dass es mir lieber ist Bewegung in meinen Alltag einzubauen, als geplantem organisierten Sport nachzugehen. Gelegenheiten zu nutzen zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren.

Das erfordert immer wieder auch Mut. Mehr zum Thema Mut haben wir in diesem Blog-Artikel geschrieben: LINK

Durch Ausprobieren erfährst du, was du wirklich magst. Und wenn du nach einiger Zeit feststellst, dass es doch nicht deines ist, hörst du halt wieder auf. So sorgst du selber für immer mehr Orientierung zum Thema Männlichkeit, für dich selber und für andere Männer.

Meine Vision von Männlichkeit

Ich stelle mir vor, dass wir Männer mit uns selber im Frieden sind, wirklich wissen, was uns wichtig ist und dies ebenso liebevoll wie kraftvoll ins Leben bringen. Dabei sind uns die Bedürfnisse unserer Mitmenschen genauso wichtig wie unsere eigenen. Wir tragen zur Kooperation bei und laden andere dazu ein, aufrichtig und von Herzen.

Veit Lindau hat es in seinem Buch Genesis für mich sehr schön beschrieben.

"Ein Mann, der sein Schwert (Logos) meistert, wird zum Samurai. Ein Mann, der zudem Eros wahrhaftig in sein Leben integriert, wird zum König."

Für mich ist die Kunst dabei ist, das Schwert so selten wie möglich zu ziehen. Doch wenn wir es führen, dieses in vollem Bewusstsein zu tun und klar zur Verantwortung unseres Handelns zu stehen.

Ich bin überzeugt, dass wir so ein Miteinander, eine Gesellschaft, gestalten können, die von offenem, aufrichtigem Austausch, gegenseitiger Unterstützung und Empathie und gleichzeitig Klarheit geprägt ist. Und dass unsere Begegnungen nach und nach dazu beitragen den Schmerz der Vergangenheit gehen zu lassen.

Solltest du dir auf deinem Weg Unterstützung wünschen, kannst du gerne bei uns ein kostenloses Kennenlern-Gespräch vereinbaren.

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