Ich bin in den letzten Wochen persönlich mehrfach über die Diskussion zum Gendern gestolpert. Dabei bin ich besonders an 2 Aussagen hängen geblieben:
„Wenn wir für eine Personen- oder Berufsbezeichnung das generische Maskulinum verwenden, denken wir automatisch an eine männliche Person.“
und
„Ich ärgere mich über Menschen, die am generischen Maskulinum festhalten, weil sie nichts anderes kennen.“
Welche Motive vermute ich?
Ich fange mal mit der zweiten Aussage an. Dazu möchte ich gerne zwei Punkte zu bedenken geben.
Wenn ich höre, dass sich jemand über das generische Maskulinum ärgert, vermute ich, dass dahinter ein Gedanke stehen könnte, wie: „Die Menschen sollten sich an die neuen Verhältnisse anpassen.“
Verzerrte Wahrnehmung?
Das erinnert mich an den „Fundamental Attribution Error“ (Wikipedia.de). Stark vereinfacht wird so der Effekt bezeichnet, dass wir das Verhalten anderer Menschen, das wir als negativ erleben, unbewusst auf mangelnde Bereitschaft oder mangelnde Charakterstärke zurückführen. Gleichzeit neigen wir dazu unser eigenes Verhalten in einer identischen Situation den äußeren Umständen zu zuschreiben.
Mit Hilfe der Gewaltfreien Kommunikation habe ich gelernt nach den Bedürfnissen hinter den Handlungen zu schauen und so grundsätzlich erst einmal eine positive Absicht zu vermuten. Das hat dazu geführt, dass ich mich sehr viel seltener über andere Menschen ärgere und es mir viel besser geht.
Als zweiter Punkt kommt hinzu, dass die Forschung gezeigt hat, dass durch die Evolution 3 Prinzipien tief in unserem Gehirn verankert wurden:
Die Unschuldsvermutung
Daraus leite ich ab, dass Menschen erst einmal ihrer genetischen Programmierung folgen, wenn sie an gelernten Mustern festhalten. Proaktive Veränderung erfordert eine bewusste Entscheidung, Energie aufzuwenden und häufig auch in einen gewissen Schmerz zu gehen, erst recht tief gehende Veränderung.
Als ich mich zum Beispiel entschieden habe den Segelschein zu machen, war für mich der erwartete Lustgewinn groß genug, um den Aufwand und Schmerz auf mich zu nehmen, hunderte von Fragen für die Prüfung auswendig zu lernen.
Genauso habe ich mich gegen eine Ausbildung zum Heilpraktiker für Psychotherapie entschieden, da für mich der Nutzen (Lustgewinn) den Lern- und Prüfungsaufwand (Schmerz) nicht aufgewogen hat.
Ich erlebe es immer wieder als hilfreich in der Begegnung mit anderen Menschen mir diese beiden Sichtweisen bewusst zu machen. Ich bin überzeugt, dass meine Mitmenschen es wahrnehmen, ob ich ihnen mit einer inneren Offenheit und Wohlwollen begegne oder ob ich glaube, dass sie z.B. nicht wollen oder zu verbohrt sind. Mehr zur Inneren Haltung hat Melanie in diesem Artikel beschreiben.
Glaubenssätze = Filter der Wahrnehmung
Als nächstes möchte ich auf die erste Aussage eingehen, dass Menschen bei Verwendung des generischen Maskulinum automatisch an eine männliche Person denken.
Wie ich zuvor ausgeführt habe, glaube ich, dass ich nicht wissen kann, wie es in anderen Menschen aussieht, was sie denken, fühlen oder glauben. Ich kann nur meine Wahrnehmung nutzen und beobachten und zuhören. Daraus bilden sich in mir dann Vermutungen und Interpretationen dessen, was ich glaube was mein Gegenüber denkt oder glaubt.
Glaube versetzt Berge
Wahrnehmung ist niemals objektiv. Für mich drückt das Wort das schon aus. Das Wort ist zusammengesetzt aus “Wahrheit” und “nehmen”. Und die Wahrheit, die wir uns nehmen, ist in der Regel davon abhängig, was wir glauben, also unseren Glaubenssätzen.
Es gibt das folgende Sprichwort:
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Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.
Ich möchte diesem Sprichwort noch einen Satz voranstellen:
„Achte auf deine Glaubenssätze, den sie werden deine Gedanken.“
Es kommt noch ein weiterer Punkt mit der Wahrnehmung hinzu. Unser Gehirn ist mit vielen Rückkopplungsschleifen ausgestattet. Um die Verarbeitung im Gehirn zu beschleunigen greift das Gehirn auf bereits früher verarbeitete Informationen zurück. Wir merken das z.B. an optischen Täuschungen zu denen es viele Bilder gibt. Wenn wir jedoch bewusst und fokusiert hinschauen, können wir das Gehirn anweisen die Information neu zu verarbeiten und so die optische Täuschung durchschauen.
Auf einmal sind alle schwanger!
Ein weiteres Beispiel dieser Rückkopplung im Gehirn ist die Erfahrung, dass z.B. werdenden Eltern andere Schwangere viel häufiger auffallen als anderen Menschen, da im Gehirn der werdenden Eltern die Neuronen rund um das Thema Schwangerschaft viel aktiver sind, wird bei der Informationsfilterung der Wahrnehmung diesen Information ein größeres Gewicht eingeräumt.
Ebenso hören ich immer wieder von Menschen, die sich gerade z.B. mit dem Kauf eines bestimmten Autos beschäftigen, dass sie dieses gerade immer wieder auf der Straße sehen.
Die Macht des Zuhörens
Um diese Zusammenhänge in unseren Seminaren zu vermitteln verwende ich gerne ein Gleichnis:
Wenn ich dir einen Ball zuwerfen möchte, dann habe ich Einfluss darauf in welche Richtung und Höhe ich den Ball werfe. Ich kann auch beeinflussen mit welcher Kraft ich den Ball werfe. Ich kann vorher prüfen, ob du siehst, dass ich den Ball werfen möchte. Ich kann dich auch ansprechen und dich darauf hinweisen.
Der Moment der Wahr-Nehmung
Doch in dem Moment in dem der Ball meine Hand verlässt, endet meine Einflussmöglichkeit, ob du den Ball fängst oder nicht. Du entscheidest, ob du den Ball überhaupt fangen möchtest. Deine Vorerfahrungen werden beeinflussen, ob du Angst vor dem Ball oder dich dem Ball freudig zuwendest.
Ebenso ist es mit den Worten. Ich kann meine Worte bewusst wählen, mich im Rahmen meiner Fähigkeiten vorbereiten. Doch in dem Moment in dem ich die Worte ausgesprochen habe, liegt die Macht zu entscheiden, ob und vor Allem wie du meine Worte hörst alleine bei dir.
Die Macht liegt bei dir
Daher glaube ich, dass die größte Chance auf ein friedliches Miteinander in unserer Welt viel mehr in der Art und Weise liegt, wie wir einander zuhören und weniger darin wie wir miteinander sprechen.
Ich kann das Anliegen hinter der Forderung nach geschlechtergerechter Sprache sehen und ich glaube nicht, dass damit die gewünschten Ziele erreicht werden.
Späte Erkenntnis
Ich habe in 25 Jahren Partnerschaft gelernt, dass ich meine Frau ohne Gewalt nicht verändern kann. Ich kann nur mich verändern und bin davon überzeugt, dass sich dadurch ALLES verändert.
Ebenso kann ich die Gesellschaft nicht zwingen sich zu verändern. Erkenntnis entsteht nicht aus Zwang, sondern aus der inneren Bereitschaft zur Veränderung. Ich kann mich verändern, anderen Menschen inspirieren und damit Zukunft zu gestalten.
Und genau das möchten wir mit unserer Arbeit tun. Wir möchten in unseren Seminaren, mit Berührung und Begleitung Menschen inspirieren sich auf ihren ganz persönlichen Weg in die Zukunft zu machen.