Die verbreitetsten Irrtümer und Mythen über Sexualität

Gelebte Sexualität ist ein wesentlicher Teil unseres Lebens. Sexualität gibt uns die Möglichkeit, uns in den tiefen Ebenen unserer Körperlichkeit zu begreifen. Eine bewusst gelebte Sexualität fördert ganzheitlich das eigene Befinden und schafft auch ganz neue Spielfelder partnerschaftlicher Prozesse.

Sexualität ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Filme, Bücher und Lieder sind undenkbar ohne. Sexsells boomt und der Konsum von Pornos nimmt regelmäßig zu. Wie kann es da sein, dass wir immer noch so wenig über Sexualität wissen, dass viele Paare unzufrieden mit ihrer Sexualität sind und wir noch weit davon entfernt sind, dass wir in der Öffentlichkeit offen über Sexualität reden können.

Scheinbar wissen wir alles über die Sexualität. Doch dieses Wissen ist durchtränkt mit Irrtümern, Mythen und Halbwahrheiten. Wir möchten im Folgenden mit einigen dieser Mythen und Irrtümern aufräumen.

Sexualität ist natürlich - das kann jeder

Es kommt vor, dass Menschen sich als Versager fühlen, wenn es in der Sexualität nicht klappt. Denn Sexualität ist doch narürlich, das kann doch jeder, nur ich nicht. Dahinter steht die Vorstellung, dass zwei sich begehren und dann wie von alleine ein Feuerwerk sexueller Lust und Ekstase gezündet wird. Manche Menschen erleben das in der ersten starken Verliebtheit, aber die Regel ist es nicht. Sexuelle Bedürfnisse zu haben ist natürlich, freudvolle Sexualität dagegen haben wir nicht von alleine.

Sexualität ist lernbar. Und Lernen über Sexualität beginnt mit Aufklärung. Du kannst dein Wissen rund um Sexualität erweitern und du kannst lernen deine Erregung und deine Lust feiner zu spüren, zu steuern und zu steigern. Es geht darum zu deiner individuellen ureigenen Sexualität zu finden.

Du darfst herausfinden, was es ist, was du leben möchtest, was dich
wirklich befriedigt und wozu du Lust hast. Und dann kannst du deinem Partner oder deiner Partnerin deine Sexualität anbieten, so dass ihr das gemeinsam gestalten könnt.

Je besser du weißt, was dir Lust bereitet, desto größer ist die  Wahrscheinlichkeit, dass du Sexualität erlebst, die zu dir passt, dich befriedigt und dir Freude macht.

Über Sexualität muss man nicht reden

Sexualität tut man, darüber redet man nicht. Wie hast du das beim Heranwachsen erlebt? Wurde dir vorgelebt, dass man offen über Sexualität reden kann oder war Sexualität ein Tabuthema?

Wenn zwei Mensch sich begegnen treffen zwei sexuelle Persönlichkeiten aufeinander. Wir verwenden gerne das Bild, dass beide einen Rucksack mitbringen mit Erfahrungen, Glaubenssätzen, Vorlieben, Fantasien, Wünschen und vielem mehr. Mit der Zeit finden die beiden dann im besten Fall nach und nach heraus, wie sie in der Sexualität zueinander passen, wo es Überschneidungen gibt und wo sie weit voneinander entfernt sind.

Hilfreich ist dabei Kommunikation über Sexualität. Es braucht die Bereitschaft, sich zu öffnen, mitzuteilen und zuzuhören. Und dazu braucht es eine Menge Mut. Denn wenn ich mich mit meiner individuellen sexuellen Persönlichkeit nackt zeige, macht das mich verletzlich.

Eine gelungene Kommunikation über Sexualität trägt zu einer befriedigend gelebten Sexualität bei.

Sexualität dient nur der Fortpflanzung

Hast du dich schon einmal gefragt, warum du Sex hast? Welche Bedürfnisse erfüllst du dir damit?

Sexualität erfüllt weit mehr als nur den Trieb sich fortzupflanzen. Für die Fortpflanzung würde es ausreichen wenn wir einmal, zweimal oder mehrmals Sex im Leben haben. Übermäßig lustvoll und befriedigend muss der auch nicht sein. Doch wir Menschen haben weitaus öfter Sex. Warum also?

Wir wissen heute, dass beim Sex ein ganzer Hormon-Cocktail im Körper ausgeschüttet wird. Im Wesentlichen sind das Oxytocin, Dopamin und Testosteron.

Oxytocin ist als Bindungshormon bekannt geworden und verstärkt so den Zusammenhalt in einer Gemeinschaft.

Dopamin wird auch als Glückshormon bezeichnet. Es stärkt unseren Antrieb und unsere Motivation.

Und Testosteron? Es steigert unsere Libido, Ausdauer und allgemeine Lebenslust und lässt uns zuversichtlicher in die Zukunft schauen.

Somit trägt Sexualität zu vielfältigen Bedürfnissen bei: Verbindung, Gemeinschaft, Lustempfinden, Ekstase, …

Erst kommt die Lust - dann der Sex

Nach der ersten Verliebtheitsphase ist in vielen Partnerschaften das Begehren und die Lust auf Sex unterschiedlich. Vor allem durch romantische Filme und Literatur habe wir jedoch irgendwie das Bild in uns, dass wir durch die Liebe, wahnsinnige Lust aufeinander bekommen und dann aufregenden, ekstatischen Sex haben. Kommt nach der Verliebtheit der Alltagsstress mit Familie und Arbeit hinzu, trägt das nicht unbedingt zur Lust bei. Dann fallen Sätze wie: Ich habe halt einfach keine Lust auf Sex.

Wir möchten euch zu der Überlegung einladen: Wer hat schon Lust an einem verregneten Tag nach der Arbeit noch 2 Runden im Park joggen zu gehen? Und doch raffen wir uns meistens dazu auf, weil genau wissen, dass es uns danach viel besser geht.

Wir laden euch ein das auch mal beim Sex auszuprobieren. Ist die Lust dazu wirklich zwingend notwendig? Oder kann ich mich vielleicht einfach dazu entschließen Sex zu haben, auch wenn ich gerade keine Lust empfinde.

Eine Möglichkeit wäre es, sich zum Sex zu verabreden statt darauf zu warten, dass von alleine Lust entsteht oder statt zu warten bis eine zeitliche Lücke dafür entsteht.
Ich kann mich entscheiden Sex zu haben und die Lust kommt beim Tun.

Orgasmen gehören zum Sex dazu

Für viele Menschen gehört zum Sex ein Orgasmus dazu. Sonst ist er nicht vollständig. Dieser Glaube setzt uns unter Druck. Denn was ist, wenn es dir schwer fällt, einen Orgasmus zu erreichen? Dann hast du ein Problem, etwas an dir ist nicht richtig, funktioniert nicht.

Besonders Frauen fühlen sich unvollständig wenn sie keine vaginalen Orgasmen erleben können. Es ist ein Mythos, dass Frauen immer beim Geschlechtsverkehr zum Orgasmus kommen. Denn nur etwa 25 Prozent der Frauen erleben vaginale Orgasmen. Der Hauptauslöser für weibliche Orgasmen ist die Klitoris. Und auch der sogenannte ‘vaginale Orgasmus’ geschieht nie ganz ohne die Klitoris. Denn die Klitoris hat Schenkel, die um die Vagina herum reichen – sie ist viel mehr als dieser kleine Knopf. Daher: Immer, wenn es um die Vagina geht, wird die Klitoris mit stimuliert.

Damit ich Orgasmen erleben kann, brauche ich eine Kenntnis meines Körpers, meiner Erregungsmodi und Erregungsquellen und Kenntnisse darüber, wie Orgasmen in meinem Körper ausgelöst werden.Ich darf lernen, mich in meinem Körper zu Hause zu fühlen.

Viele Frauen haben sich vermutlich kaum in der Vagina angefasst, sich kaum dort stimuliert. Für die meisten gilt: Wenn sie sich selbst befriedigen, dann meistens außen und nicht in der Vagina. Dadurch entstehen im Inneren der Vagina keine Nervenverbindungen zum Gehirn. Wie soll die Vagina Gefühle hergeben, wenn sie dies nie gelernt hat?

Beim Sex nicht oder nur schwer zum Höhepunkt zu kommen, wird oft als weibliches Problem gesehen. Doch auch viele Männer haben mit Orgasmusschwierigkeiten zu kämpfen. Hier spielen Leistungsdruck, Versagensängste, Selbstwertprobleme, zu hohe Erwartungen oder eine zu starke Fokussierung auf die Partnerin eine große Rolle. Und manchmal entsteht das Problem dann, wenn Männer das, was sie durch die Selbstbefriedigung gelernt haben, nicht beim Sex durch Penetration umsetzen können. Dann erreichen sie den Orgasmus zwar in der Selbstbefriedigung, nicht aber beim Paarsex.

Eine Alternative kann es sein, die Erwartung einen Orgasmus beim Sex zu bekommen loszulassen. Konzentriert euch auf die Lust im Augenblick, die Verbindung, die währenddessen entsteht und die Energie, die in euch aufgebaut wird. Wenn wir den Sex aus der Ekstase irgendwann wieder langsam ausklingen lassen, haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir uns danach noch 1-2 Tage lebendiger und kraftvoller fühlen. Probier es mehrere Male aus, vielleicht 5-6 Mal, bevor du für dich bewertest. Sex ohne Orgasmus kann sehr belebend sein.

Bei Männern bedeutet Orgasmus auch Ejakulation

Ein weiterer Mythos, der die Männer betrifft ist die Annahme, dass Orgasmus und Ejakulation immer zusammen stattfinden. Eine Ejakulation beendet bei Paaren in der Regel den Geschlechtsverkehr. Das ist besonders für Männer problematisch, die schnell kommen, denn dann dauert der eigentliche Akt nur sehr kurz. Das liegt vor allem daran, dass im Körper bei der Ejakulation auch Hormone ausgeschüttet werden, die zur Entspannung beitragen, was eine Erektion schwierig macht.

Männer können jedoch lernen Orgasmus und Ejakulation zu trennen. Durch Training der Körperwahrnehmung, Körperkoordination und Atmung sind sie in der Lage mehrere Orgasmen zu erleben. Dadurch beendet ein Orgasmus dann nicht zwangsläufig den Geschlechtsverkehr. Es entsteht die Freiheit zu entscheiden weiterzumachen oder aufzuhören. Orgasmen ohne Ejakulation sind erlernbar.

Männer können und wollen immer

Eins der am weit verbreitetsten Mythen ist, dass Männer immer können und immer wollen. Das Bild von einem Mann, der immer an Sex denkt, jeder Frau nachschaut und keine Gelegenheit für Sex auslässt. Und auf der anderen Seite die Frauen, die nie Lust auf Sex haben. Ist das wirklich so? Oder werden wir dazu gemacht?

Ist es so, dass keinen Sex zu wollen, die Männlichkeit infrage stellt? Als Frauen können wir es kaum glauben, wenn ein Mann keinen Sex will. Oft kommt es vor,
dass wir als Frauen eher denken, es liegt an uns, wenn ein Mann keinen Sex will, als dass er vielleicht einfach keinen Sex will. 
Es fällt uns schwer, anzuerkennen, dass auch Männer Grenzen haben und dass auch bei ihnen Unlust vorkommt.

Ich selbst habe sie in meiner Ehe erlebt, die Unlust des Mannes. Bei uns gab es Phasen wechselnden Verlangens und eben auch Phasen in denen ich ganz klar mehr Sex wollte als mein Mann. Christian Thiel schreibt in seinem Buch “Warum Frauen immer wollen und Männer immer Kopfschmerzen haben” dass etwa ein Drittel der Männer mehr Sex wollen als ihre Partnerin, ein Drittel der Frauen mehr Sex wollen als ihr Partner und dass es bei einem weiteren Drittel der Paare ausgegleichen ist.

Unserer Erfahrung nach sind die Ursachen für sexuelle Unlust vielfältig und sie sind bei Männern und Frauen zu finden: Stress, Überforderung im Alltag, Leistungsdruck, zu wenig Kenntnis des eigenen Körpers und der Erregungsmechanismen, mangelnde Aufklärung, Beziehungsprobleme und vieles mehr.

Unser Fazit ist: Es gibt auch Männer, die nicht immer Sex wollen und es gibt auch Frauen die immer Sex wollen.

Sexualität lebendig und lustvoll leben

Fragst du dich auch, wie es gelingen kann, Sexualität auch in langjährigen Beziehungen erfüllend und lebendig zu leben? Hast du Lust bekommen mit den Mythen und Irrtümern über die Sexualität aufzuräumen? Möchtest du dein Wissen rund um Sexualität erweitern und mehr über Lust, Erregung, Orgasmen und Sexualpraktiken erfahren? Hast du Lust auf einen offenen Austausch rund um Sexualität und interessiert es dich mit welchen Körperübungen du eine erfüllendere Sexualität unterstützen kannst?

Dann laden wir dich zu unserem Seminar “Sexualität lebendig und lustvoll leben” ein.

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