Was ist sexologische Körperarbeit?

Wir leben in einer Welt, in der Sexualität allgegenwärtig scheint – und gleichzeitig oft unsichtbar bleibt. Zwischen Leistungsdruck, Schönheitsidealen, Mythen und Scham fehlt vielen Menschen ein sicherer Raum, in dem sie ihren Körper wirklich spüren, ihre Wünsche verstehen und ihre Grenzen klar ausdrücken können. Aufklärung passiert selten körpernah, Beziehungen stehen unter hohen Erwartungen, und viele von uns haben nie gelernt, wie Sexualität sich stimmig, genussvoll und verbunden anfühlen kann.

Sexologische Körperarbeit setzt genau hier an. Sie schafft einen geschützten, achtsamen Rahmen, in dem wir Sexualität nicht nur „denken“, sondern verkörpern – mit Atem, Berührung, Bewegung, Präsenz. Sie hilft, alte Prägungen zu hinterfragen, Scham in Selbstannahme zu wandeln und neue, nährende Erfahrungen zu machen. So wird der eigene Körper wieder zu einem verlässlichen Zuhause und Lust zu einer Ressource für Lebensfreude, Resilienz und Gesundheit.

Was ist Sexological Bodywork?

Sexological Bodywork – auf Deutsch sexologische Körperarbeit – ist ein körperorientierter Lern- und Entwicklungsweg rund um Sexualität, Sinnlichkeit und Intimität. Er verbindet Elemente aus Sexualpädagogik, Sexualberatung, Körperarbeit, Achtsamkeits- und Atempraxis. Das Besondere: Erkenntnisse aus dem Gespräch werden nicht nur verstanden, sondern im Körper erfahrbar gemacht. Denn Sexualität ist keine reine Kopfsache – sie zeigt sich in Empfindungen, Atmung, Muskeltonus, Bewegung, Berührung, Präsenz.

Im Mittelpunkt steht dein Erleben. In einem geschützten, klar gerahmten Setting erforschst du mit professioneller Begleitung, wie sich Erregung, Lust, Nähe und Grenzen in deinem Körper anfühlen – heute, im Hier und Jetzt. Du lernst, Signale deines Körpers zu lesen, zu regulieren und zu nutzen: Wo halte ich unbewusst Spannung? Was entspannt mich? Wie verändert Atem meine Wahrnehmung? Welche Berührungsqualitäten tun mir gut? Wie kann ich Tempo, Druck, Rhythmus oder Fokus so wählen, dass sich Begegnung stimmig anfühlt?

Sexological Bodywork ist immer lernorientiert. Wir arbeiten mit klaren Zielen oder Fragen, die dich gerade bewegen (z. B. „Wie komme ich besser ins Spüren?“ „Wie kommuniziere ich Wünsche und Grenzen?“ „Wie kann ich Lust steigern oder verlängern?“).
Wir schaffen neue, positive Körpererfahrungen, die dein Nervensystem abspeichern kann – als Alternative zu Stress, Scham oder alten Mustern.
Du übernimmst Selbstverantwortung: Du entscheidest, was, wie und in welchem Tempo du lernen möchtest. Alles ist freiwillig und wird transparent besprochen.

Worum geht es in der Tiefe? Um Verkörperung. Wenn Denken, Fühlen und körperliches Spüren wieder zusammenfinden, entstehen Wahlmöglichkeiten: Du kannst Tempo herausnehmen, Erregung aufbauen oder lenken, Genuss vertiefen, Klarheit über Grenzen gewinnen und Nähe bewusster gestalten. So wird dein Körper mehr und mehr zu einem verlässlichen Zuhause – und Sexualität zu einem lebendigen, lernbaren Feld, das dich nährt, stärkt und wachsen lässt

Sexualität ist lernbar

Eine der Grundannahmen der sexologischen Körperarbeit lautet genauso wie im Sexocorporel: Sexualität ist lernbar. Als Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben wir begonnen, Sexualität zu lernen – durch Wissen und durch erste Erfahrungen mit uns selbst und mit anderen. Wir haben herausgefunden, wie Erregung entsteht, wie wir Orgasmen erleben, und wie wir Sexualität mit anderen gestalten können.

Nicht für alle waren diese ersten Schritte leicht oder schön. Viele von uns haben Mythen, Normen, Gebote und Verbote verinnerlicht, die wenig hilfreich sind. Vielleicht bist du in einem   aufgewachsen, in dem nicht offen über Sexualität gesprochen wurde, Aufklärung kaum stattfand, Selbstberührung verurteilt oder sexuelle Kontakte tabuisiert wurden. Vielleicht trägst du viel Scham in dir und es ist schwer, deinen Körper und deine Sexualität anzunehmen. Manchen Menschen ist das Genital eher Schambereich als Lustquelle. Vielleicht hast du Grenzverletzungen oder sexuelle Gewalt erlebt, und Körper, Geschlecht und Sexualität fühlen sich nicht wie sichere Orte an.

Die gute Nachricht: Als erwachsene Person kannst du heute neu lernen. Du kannst (wieder) in deinem Körper zu Hause sein und Sexualität genießen. Ja – Genuss und Lust sind erlernbar.

Sexologische Körperarbeit unterstützt dich dabei, ein feines Bewusstsein für deinen Körper im Hier und Jetzt zu entwickeln, deinen Körper bewusst zu bewohnen, dich selbst besser zu spüren und deiner Körperweisheit zu vertrauen. So kann dein Körper mehr und mehr zu einem sicheren Ort werden. Diese Verkörperung hilft dir, dein Potenzial an Wissen, Gesundheit, Kreativität und Sexualität kraftvoll zu leben.

In der sexologischen Körperarbeit sammelst du neue, gezielte Körpererfahrungen. Wir begleiten dich darin, in deine Selbstverantwortung zu kommen, deine Sexualität „selbst in die Hand zu nehmen“ und sie liebevoll weiterzuentwickeln.

Wie Sexological Bodywork entstanden ist

Sexological Bodywork wurde von Dr. Joseph Kramer in Kalifornien entwickelt. Ursprünglich flossen taoistische und tantrische Körperarbeit mit einem ressourcenorientierten Coaching-Ansatz zusammen. Im Kern geht es darum, eigene Stärken und Ressourcen zu nutzen und ins Leben zu integrieren.

Kramer entwickelte die Methode in den 1980er-Jahren, damit homosexuelle Männer auch ohne direkten sexuellen Kontakt erfüllende Sinnlichkeit leben konnten – in einer Zeit, die stark von Aids-Angst geprägt war. Frühere Bezeichnungen waren „Body Electric School“ und „Taoistische Erotische Massage“.

Gemeinsam mit Dr. Annie Sprinkle – einer Pionierin der Befreiung weiblicher Sexualität – wurde Sexological Bodywork weiterentwickelt. Heute wird es in den USA und seit 2009 in der Schweiz am International Institute for Sexological Bodywork (IISB®) als Beruf gelehrt. In Kalifornien ist Sexological Bodywork als Beruf anerkannt. Laufend fließt neues Wissen in Aus- und Weiterbildungen ein.

Weitere Informationen findet ihr auch auf der Homepage der European Association of Sexological Bodyworkers (EASB).

Ein Beitrag zur sexuellen Gesundheit

Eine lebendige, erfüllte Sexualität trägt wesentlich zur Gesundheit und zum Wohlbefinden bei. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt sexuelle Gesundheit als Zustand körperlichen, emotionalen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf Sexualität – nicht nur als Abwesenheit von Krankheit. Sie setzt eine positive, respektvolle Haltung und die Möglichkeit voraus, angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen zu machen – frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt – und sie beruht auf der Achtung sexueller Rechte.

Um sexuelle Gesundheit zu entfalten, ist es zentral, den eigenen Körper, Erregung und Lust wahrzunehmen, darüber zu sprechen und Sexualität stimmig zu leben. Sexologische Körperarbeit bietet erwachsenen, selbstverantwortlichen Menschen einen geschützten Rahmen, in dem neue Körpererfahrungen möglich werden und Sexualität sich weiterentwickeln darf.

Was führt Menschen zu uns?

Die Wege zur sexologischen Körperarbeit sind so vielfältig wie die Menschen selbst.

Manche kommen aus reiner Neugier und dem Wunsch heraus, ihr sexuelles Potenzial zu entfalten und neue Erfahrungsräume zu entdecken – etwa anale Lust, weibliche Ejakulation oder den G-Punkt. Hier steht lustvolles Lernen im Vordergrund: Wissen, das unmittelbar ausprobiert und im eigenen Körper verankert wird.

Andere suchen Unterstützung bei konkreten Herausforderungen wie Erektionsschwierigkeiten, vorzeitiger Ejakulation, Vaginismus, Orgasmusschwierigkeiten oder dem Umgang mit exzessivem Pornokonsum. Wieder andere möchten nach belastenden oder traumatischen Erfahrungen heilsame Gegenerfahrungen sammeln oder nach einer Geburt oder Operation ihre Genussfähigkeit und sexuelle Funktionalität zurückgewinnen.

Paare finden zu uns, wenn die gelebte Sexualität aus dem Gleichgewicht geraten ist: wenn Lust und Verlangen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, wenn Wünsche weit auseinanderliegen oder wenn es an der Sprache für Nähe und Intimität fehlt.

Oft geht es darum, Verbundenheit zu vertiefen, die Kommunikation über Bedürfnisse und Grenzen zu enttabuisieren und Sexualität wieder als gemeinsamen, lebendigen Raum zu erleben. Oder das Paar möchte die Verbundenheit und Intimität durch bewusst gelebte Sexualität vertiefen oder eine klare und schambefreite Kommunikation über die gegenseitigen Wünsche und Grenzen erlernen.

Viele Menschen spüren auch, dass sie viel im Kopf unterwegs sind und sich nur schwer fallenlassen können. Sie wünschen sich, intensiver zu fühlen, sinnliche Empfindungen zu verfeinern und bewusster im eigenen Körper anzukommen. Dazu gehört häufig, Gefühle, Bedürfnisse und Grenzen überhaupt erst wahrzunehmen, auszudrücken und selbst zu regulieren. Manchmal steht die Forschung der eigenen Lust im Mittelpunkt – die Rückeroberung, Verfeinerung oder ganz neue Entdeckung von Genuss und Ekstase. Für einige sind Fragen von Identität und Rollenbildern bedeutsam: Wie möchte ich als Frau meine Weiblichkeit leben? Wie als Mann meine Männlichkeit? Welche sexuelle Identität fühlt sich stimmig an? Nicht selten prägen Scham, Unsicherheit und alte Verbote den Zugang zur Sexualität, und der Wunsch, sexuelle Selbstsicherheit aufzubauen, wird zum wichtigen Motiv.

 

Und dann gibt es das tiefe Anliegen, mit sich selbst freundlicher zu werden: eine liebevolle Beziehung zum eigenen Körper und zum Genital zu entwickeln, Selbstannahme zu üben und Wertschätzung zu spüren. 

All diese Beweggründe haben eines gemeinsam: den Wunsch, Sexualität bewusst, respektvoll und genussvoll zu gestalten. Sexologische Körperarbeit bietet dafür einen sicheren, achtsamen Rahmen – und Wege, die so individuell sind wie die Menschen, die sie gehen.

Methoden der sexologischen Körperarbeit

Sexological Bodywork kann mit oder ohne Berührung stattfinden – zum Beispiel über Massagen, Achtsamkeitsübungen, Meditationen oder Witnessing. Wichtig ist der geschützte Raum, in dem du körperlich lernen darfst – vielleicht ein Raum, der dir früher gefehlt hat.

Zu Beginn führen wir ein ausführliches Gespräch. Wir schauen gemeinsam auf deine sexuelle Geschichte: Wie hast du Sexualität gelernt? Wie lebst und erlebst du sie heute – mit all deinen Stärken, Ressourcen, Grenzen und Herausforderungen? Am Ende formulieren wir ein Lerninteresse, eine Frage oder ein Ziel und besprechen, wie du es erforschen möchtest.

Im Hauptteil gehen wir in die Körperarbeit. Mögliche Elemente sind:

Atem- und Achtsamkeitsübungen, bewusste An- und Entspannung (z. B. im Beckenboden), Berührungs- und Bewegungspraxis, Genitalmeditationen, Mapping (das achtsame Erkunden von Körper- und Innenräumen), Spiegelsitzungen, Kommunikations- und Konsensübungen, sowie – je nach Anliegen – spezifische Massageformate. 

Dabei gilt: Berührung findet nur nach vorheriger Absprache, innerhalb klarer Grenzen und ausschließlich in eine Richtung statt. Kontinuierliche Kommunikation sorgt für Sicherheit, Transparenz und feines Nachjustieren.

Zum Abschluss reflektieren wir die Sitzung, ordnen dein Lernen ein und beantworten Fragen. Du erhältst – wenn du möchtest – Übungen für zu Hause, damit du das Erlebte in deinen Alltag und dein Liebesleben integrieren kannst.

Für wen ist Sexologische Körperarbeit geeignet?

Für alle Menschen, die sich ein bereicherndes, stimmiges Sexualleben wünschen, Sexualität als Lern- und Entwicklungsweg sehen, neue Möglichkeiten in Intimität erkunden und ihr erotisches Potenzial erweitern möchten.

Hilfreich ist die Bereitschaft, an dir selbst zu arbeiten, und Freude an persönlicher Entwicklung. Wenn du dir vorstellen kannst, dich berühren zu lassen, können wir direkt starten. Wenn Berührung für dich noch schwierig ist, beginnen wir im Gespräch und mit berührungsfreien Methoden – und schauen gemeinsam, ob und wann Berührung passend sein kann.

Grundlagen zu Sexualität praxisnah lernen

Wenn du Lust hast dein Wissen rund um Sexualität zu erweitern und einige der Körperübungen in der Gruppe kennen zu lernen, kannst du auch unser Seminar “Sexualität lebendig und lustvoll leben” besuchen. In diesem Seminar vermitteln wir die Grundlagen der sexologischen Körpertherapie für Anwender und Anwenderinnen, praxisnah und verständlich.

Wir freuen uns, wenn du Lust hast dabei zu sein und deine Sexualität weiter zu entwickeln.

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