Berührungskunst erlernen

Berühren und Berührt werden gehört zum Mensch sein. Berührungen kann ich auf viele verschiedene Weisen schenken. Eine wunderbare Möglichkeit ist eine Ganzkörpermassage, wie wir sie in der Tantramassage lehren. Diese Ganzkörpermassage kann mit einer Intimmassage abschließen, muss sie aber nicht.

Warum Berührung für uns Menschen so essentiell ist, was sie uns gibt und was Berührung im Körper und in der Psyche bewirkt kannst du in diesem Blogartikel lesen.

Wenn du lernen möchtest, Menschen zu berühren, umfasst dies verschiedene Aspekte, auf die ich im folgenden gerne eingehen möchte. Wir sehen den Körper als komplexes System. Um dieses System besser zu verstehen sind anatomische Kenntnisse und ein Wissen um die Energiebahnen im Körper und die Energiezentren, die Chakren, hilfreich. Zudem unterstützt es mich, verschiedene Berührungsqualitäten und Massagegriffe zu kennen.

Der Unterschied zwischen anfassen und berühren

Wo ist der Unterschied zwischen Anfassen und Berühren? Seine Hand auf etwas legen ist ein Anfassen. Wenn wir den Menschen jedoch ganzheitlicher erreichen möchten dann wollen wir ihn berühren. Wir wollen nicht nur Kontakt zur Haut des anderen. Wir wollen den Menschen dahinter richtig berühren, sein ganzes Sein. Wir wollen ihn als einzigartigen Menschen wertschätzend und respektvoll berühren, sein Herz und seine Seele. Dieses Berühren geht viel weiter als das bloße Anfassen.
Etwas berührt uns – rührt uns – und wir sind gerührt. Diese Art von „berühren“ kann sich verschieden äußern – mit Lächeln, Gänsehaut, einer wohligen Wärme rund um unser Herz, Schmetterlingen im Bauch, weichen Knien, Kribbeln im ganzen Körper  oder aber auch mit Tränen oder Zittern.

Wenn mich etwas wirklich berührt, dann bewegt es etwas in mir, ergreift mich, löst Begeisterung aus, wühlt auf, entfacht etwas in mir, weckt, reizt. Es geht in jedem Fall um unsere Gefühle, die wir durchaus schätzen und auch zeigen dürfen. Und jemanden im Herzen zu berühren ist tatsächlich eine Art von Kunst und zugleich ein Geschenk.

Wenn wir also Berührungskunst erlernen, geht es um das Berühren des gesamten Menschen. Ich berühre über den Körper das Herz und die Seele mit.

Um Berührungserlaubnis bitten

Bevor ich einen anderen Menschen berühre frage ich immer um Erlaubnis. Ich berühre niemals ungefragt. Zu Beginn unseres Tantramassagerituals frage ich die empfangende Person:

Darf ich dich mit all meiner Liebe und Achtsamkeit überall an deinem Körper berühren?

Wenn ich darauf ein Ja bekomme bedanke ich mich für das entgegengebrachte Vertrauen.

VerehrungSexualität

Auch wenn ich das Innere des Körpers berühren will, zum Beispiel die Vagina oder den Anus, frage ich jedesmal vorher: “Darf ich dich im Inneren berühren?” “Darf ich deinen heiligen Tempel betreten?” oder “Darf ich deinen Anus auch von innen berühren?”
Dieses um Erlaubnis fragen zeigt den Respekt und die Achtung, die ich diesem anderen Menschen entgegenbringe.

Qualitäten in der Berührung

Berührungen können unterschiedliche Qualitäten haben. Ich kann von hauchzart bis kräftig und mit viel Druck berühren.

Berūhrungsqualitäten

Jede der Berührungsqualitäten löst unterschiedliche Empfindungen im Körper aus und hat eine andere Wirkung. Wir ordnen die Berührungsqualitäten den vier Elementen zu: Erde, Feuer, Wasser und Luft.

Erdige Berührungen werden mit viel Druck ausgeführt. Ich lege meine Hände an einer Körperstelle auf und gebe Druck nach unten ins Gewebe hinein, langsame und achtsam. Auf die gleiche Art löse ich den Druck wieder gehe zur nächsten Körperstelle. Erdige Berührungen können auch bei einem Body-to-Body-Kontakt entstehen, wenn ich meinen Oberkörper auf dem Rücken der empfangenden Person ablege oder wenn ich mich mit meinem ganzen Körpergewicht auf die Rückseite der empfangenden Person lege. Diese erdigen Berührungen unterstützen die empfangende Person anzukommen, sie geben Halt und Stabilität und wirken erdend, beruhigend und geben Sicherheit. Zudem wirken sie lösend bei Verspannungen und Verhärtungen.

Feurige Berührungen wirken energetisierend, belebend und erweckend. Sie regen die Durchblutung an. Diese Berührungen sind besonders auf der Körperrückseite beliebt, am Rücken oder am Po. Ich kann die entsprechenden Körperstellen durch das Trommeln mit den Fäusten oder Handkanten, durch Spanking oder schnelles Reiben aktivieren. Nach einer feurigen Berührung gehe ich kurz aus dem Körperkontakt und lasse die Berührung nachwirken.

Berührungen, die dem Element Wasser entsprechen sind fließend, gleitend, großflächig und streichend. Sie werden gerne mit Puder oder mit viel Öl auf dem Körper ausgeführt. Ich gleite mit meinen Händen oder auch den Unterarmen fließend über den Körper und mache lange Streichungen. Dabei kann ich meine Hände sehr langsam oder auch mal schneller über den Körper gleiten lassen. Diese Berührungen fühlen sich sehr im Fluss an, einhüllend, wohlig, satt.

Luftige Berührungen sind fein, hauchzart, kribbelig bis hin zu kitzlig. Sie sprechen die feinen Oberflächenrezeptoren auf der Haut an. Luftige Berührungen kann ich mit meinen Fingerspitzen aber auch mit Federn, Fellen, Tüchern oder meinen Haaren ausführen. Dabei gleite ich langsam und hauchzart über den Körper. Bei vielen Menschen löst dies Schauer, Gänsehaut und auch Erregung aus. Für andere fühlen sich diese Berührungen so kitzelig an, dass sie sie kaum aushalten.

Dem Energiefluss im Körper folgen

Besonders wirksam ist eine Massage, die dem Energiefluss im Körper folgt. In unserem Körper und auch in unserem Denken, Fühlen und Handeln gibt es zwei komplementäre Kräfte. Ich möchte sie hier Yin und Yang nennen. Je besser es uns gelingt, diese beiden Kräfte in einen fließenden Rhythmus zu bringen, desto ausgeglichener gehen wir durch unser Leben. Auch in unserem Körper spiegeln sich Yin und Yang wieder. Yin steht für die Körpervorderseite und Yang für die Körperrückseite. Die Yin-Energie fließt nach oben und die Yang-Energie fließt nach unten. Wenn wir also diesen Energien beim Massieren folgen, streichen wir die vordere Körperseite und die innen liegenden Körperbereiche von der Tendenz her nach oben während wir die hintere Körperseite und die außen liegenden Körperbereiche von der Tendenz her nach unten streichen. Der Ausgleich der Energien, den wir dadurch erfahren, wird schnell spürbar. Es tritt ein Gefühl von Entspannung und Geborgenheit (Yin) und gleichzeitig auch Kraft und Lebendigkeit (Yang) auf.

Zudem kann ich mir beim Massieren die Chakren, feinstoffliche Energiezentren im menschlichen Körper, bewusst machen. Entlang der Chakren erstreckt sich ein Hauptenergiekanal vom Steißbein bis zum Scheitel. Ich kann meine Hände bewusst auf diese Chakren auflegen und innehalten. Oder entlang des Hauptenergiekanals massieren. Auch durch eine bewusste Atmung, bei der wir die Chakren einbeziehen, kann die Massage vertieft werden. Durch bewusste Atmung betreten wir neue Räume der Wahrnehmung.

Scheitelchakra
Drittes-Auge-Chakra
Kehlkopfchakra
Herzchakra
Solarplexuschakra
Sexualchakra
Wurzelchakra

Energiezentren

Massagegriffe für die Ganzkörpermassage

Die Ganzkörpermassage beginnt mit der Verehrung des einzeigartigen Menschen, den ich berühren darf. Die Verehrung der Frau oder des Mannes und ihrer individuellen sexuellen Energie. Diese erste Phase schafft die Atmosphäre und unterstützt das Sich-einlassen auf die Massage.

Dann folgt die Massage der Rückseite, der Yang-Seite. Ich beginne mit dem Auflegen meiner Hände. Dann folgen die Massage des Rückens, der Arme, des Pos, der Beine und der Füße. Hier werden ganz konkrete Massagegriffe gezeigt.

Weiter geht es mit der Massage der Vorderseite, der Yin-Seite. Wieder beginne ich mit dem Auflegen meiner Hände. Danach folgen die Massage des Kopfes, des Gesichts, der Brust, des Bauches, der Arme, der Hände und der Beine. Auch hier mit konkreten Massagegriffen.

Nun kann eine Intimmassage folgen, die Yoni-Massage bei der Frau oder die Lingam-Massage beim Mann. Diese Massagegriffe werden ebenfalls Schritt für Schritt gezeigt.

Zum Schluss geht es noch um das Abrunden der Massage. Hier setze ich oft Haltepositionen ein oder ich frage die empfangende Person, was sie sich zum Abschluss wünscht.

Die innere Haltung, mit der wir berühren

Auch wenn wir in unseren Kursen Massagetechniken und Massagegriffe vermitteln, sind diese nur ein kleiner Teil der Berührungskunst. Ich habe in meiner Ausbildung von meinen Lehrern und Lehrerinnen öfter die Aussage gehört: Berührungskunst ist 10 Prozent Technik und 90 Prozent Liebe. Diese Liebe spiegelt sich in der inneren Haltung wieder, mit der ich andere Menschen berühre. Für uns ist diese innere Haltung so verinnerlicht, dass sie sich auch in unseren anderen Lebensbereichen ausdrückt. Es ist nicht nur die Haltung, mit der wir berühren, sondern die Haltung mit der wir durchs Leben gehen. Im folgenden gehe ich auf die Aspekte dieser inneren Haltung ein.

Achtsamkeit    Absichtslosigkeit

    Selbstverantwortung    Authentizität

Empathie        Annahme 

    Wertschätzung     Verbundeheit

Berührung geschieht im Alltag nicht immer achtsam und bewusst. In der Tantramassage gehen wir bewusst in eine Haltung der Achtsamkeit, Präsenz und Bewusstheit. Dies lehren wir indem wir es immer wieder ins Bewusstsein einladen, dich immer wieder erinnern.

Die Berührungen entstehen im Jetzt, sie folgen dem was da ist und dem was entstehen will. Hier kommt die entscheidende Qualität der Absichtslosigkeit ins Spiel. Viele Menschen erleben Berührung, besonders in der Sexualität, nicht als absichtslos. Bewusst oder unbewusst verfolgt die berührende Person ein Ziel. Das kann unter Druck setzen und etwas von Leistung bringen haben. Besonders von Frauen erhalte ich oft die Rückmeldung: “So absichtslos bin ich noch nie berührt worden. Das ist so wohltuend. Berühren um der Berührung willen. Ohne Ziel.”

Jedem Menschen begegne ich mit einer Haltung der Verehrung und Wertschätzung. Der Mensch wird in seinem Frau-Sein oder in seinem Mann-Sein, in seinem So-Sein verehrt als einzigartiges, göttliches Wesen. Dadurch wird ein Gefühl von Annahme, von Angenommen-Sein vermittelt, das die Voraussetzung für Entspannung und Loslassen ist, aber durchaus auch heilsam sein kann. In dieser Annahme steckt die Bejahung des Lebens, die Bejahung der Lebensenergie und auch die Bejahung der Sexualität dieses Menschen.

Du bist in der Massage eingeladen zu Authentizität und Selbstverantwortung. Du kannst dich mit allem zeigen, was auftaucht, du darfst Fragen stellen, Bitten äußern, Grenzen setzen und auch Nein sagen. Allem wird mit Achtsamkeit, Wertschätzung und Empathie begegnet.

Es entsteht eine echte Begegnung zwischen zwei Menschen, eine tiefe Verbundenheit wird möglich, Verbundenheit miteinander, Verbundenheit mit dir selbst und universelle Verbundenheit. Du kannst dich aufgehoben fühlen in dieser Berührung und dich weiterentwickeln und wachsen. Es entstehen Nähe und Intimität. Zudem wächst Vertrauen. Dieses Vertrauen macht es dir möglich, dich noch mehr fallenzulassen und hinzugeben.

Innehalten und Langsamkeit in der Berührung

Wenn du jetzt die Vorstellung hast, dass ich in dieser Massage die ganze Zeit aktiv bin und es oft schnell und dynamisch zugeht, dann liegst du falsch. Eine besondere Qualität erhalten meine Berührungen durch die Langsamkeit. Das beginnt schon beim Auflegen meiner Hände im Zeitlupentempo. Wenn ich die Massagegriffe langsam ausführe, gebe ich der empfangenden Person mehr Raum zum Spüren. Gerade Anfängern fällt dies oft noch schwer. Es ist in unserem Alltag so ungewohnt. Deshalb laden wir immer wieder zur Langsamkeit ein. Und zum Innehalten. Ich massiere und dann halte ich an einer Körperstelle inne und lasse meine Hände dort einsinken, gehe in die Stille, atme bewusst, spüre in mich. Nach einigen Atemzügen fahre ich mit dem Massieren fort. Auch dieses Innehalten gibt meiner Massage eine besondere Qualität und Tiefe. Innehalten kann ich auch in sogenannten Haltepositionen. Ich halte die empfangende Person in meinen Armen oder stelle Body-to-Body-Kontakt her und halte inne. In diesen Momenten entsteht eine besondere Nähe und Geborgenheit.

Kommunikation in der Berührung

Auch in der Berührung spielt Kommunikation eine entscheidende Rolle. Das beginnt schon im Vorgespräch, wo ich frage, wie der Mensch gerne berührt wird, ob es körperlich etwas zu beachten gibt, ob es Stellen gibt, die nicht berührt werden möchten.

Ich ermutige die Menschen, es mir sofort zu sagen, wenn eine Berührung nicht stimmig für sie ist, wenn sie sich eine Berührung anders wünschen oder auch wenn sie sich eine bestimmte Berührung ganz besonders wünschen. Hier geht es um das Mitteilen von Bedürfnissen, Grenzen und Wünschen.

KommunikationMassage

Während der Massage frage ich auch immer wieder mal, wie sich die Berührung gerade anfühlt. So lernen die Empfangenden ihre Gefühle und Empfindungen in Worte zu fassen. Ich achte beim Massieren auch sehr auf die Kommunikation des Körpers. Wirkt der Körper angespannt, zieht er sich unter einer Berührung zusammen, versteift er sich oder fühlt er sich entspannt und locker an? Manchmal nehme ich auch ein Zucken, Gänsehaut oder Zittern wahr. Auch die Stimme gibt mir Anhaltspunkte, wie es meiner empfangenden Person gerade geht. Vielleicht kommt da ab und zu ein wohliges Seufzen, ein Stöhnen oder andere Töne. Und zuletzt achte ich auf die Atmung. Atmet die Person ruhig und entspannt oder eher flach oder schneller. Wenn ich mir in der Massage unsicher bin, wie es meiner empfangenden Person gerade geht, frage ich nach.

Im Nachgespräch ist dann Raum für Reflexion und Feedback. Ich frage, wie es meinem Gegenüber geht, wie er oder sie die Massage erlebt hat und ich teile wenn gewünscht auch meine Beobachtungen und meine Wahrnehmung. Hier ist auch Raum zum Ausdrücken von Dank und Wertschätzung.

In diese Kommunikationselemente lassen wir Elemente der Gewaltfreien Kommunikation einfließen. Für uns bildet dies eine wertvolle Basis und Einrahmung.

Berührungskunst erlernen

Wenn du Lust bekommen hast, die tantrische Berührungskunst zu erlernen, freuen wir uns, dich in unserem Einführungsseminar: Tantramassage entdecken, spüren und lernen begrüßen zu dürfen. In diesem Seminar lernst du ein ganzheitliches Massageritual mit den Elementen Verehrung, Massage der Rückseite, Massage der Vorderseite und Intimmassage. Eingebetet ist das Massageritual in die Elemente der inneren Haltung, mit der wir berühren und es wird immer wieder durch Kommunikationselemente vertieft.

Unsere nächsten Tantramassageseminare

5.07.2024 - 7.07.2024

In jeder Partnerschaft und genauso in jeder Massage gibt es vielfältige Räume, die wir betreten und erforschen können.

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